Warum der „Spirit of Curling“ vielen Unternehmen helfen würde
Kennst du Curling? Selbst in den wenigen Ländern, in denen Curling professionell gespielt wird, erntet man auf diese Frage meist ein Kopfschütteln oder einen belustigten Kommentar: „Das sind doch die, die mit dem Besen das Eis schrubben, sieht echt witzig, aber ziemlich komisch aus…“
Dabei haben kürzlich die Weltmeisterschaften in Kanada respektive in der Schweiz stattgefunden. Wer einmal ein ganzes Spiel über Stunden mitverfolgt hat und Zeuge einer Millimeterentscheidung beim letzten Stein wurde (notabene nach meist rund 160 gespielten Steinen), der weiß: Da steckt enorm viel dahinter. Geschwindigkeit, die kleine Rotation, genaues Augenmaß, höchste Konzentration, die Einschätzung der laufend ändernden Eisbeschaffenheit, intensives Teamwork, rohe Kraft gepaart mit Fingerspitzengefühl, Timing, die minutiös eingeübte Aufgaben- und Rollenteilung – und nicht zuletzt der Besen, der mit der richtigen Laufbahn, dem genauen Speed und dem Drift (Curl) den Stein punktgenau ins Ziel bringen soll – und über Sieg oder Niederlage mitentscheidet. Dazu kommen Taktik, Umgang mit Druck, intensives Zusammenarbeiten uvm.
Viele Firmen würden sich glücklich schätzen, Mitarbeitende mit einem solchen Fähigkeitsmix zu haben. Beim noch genaueren Hinsehen fallen aber noch einige weniger offensichtliche Verhaltensweisen auf. Die Spieler kommunizieren laufend miteinander, meist ruhig und klar, unterbrochen nur durch die etwas lauteren Rufe vom anderen Ende des Spielfeldes, damit die nötigen Korrekturen durch die Wischer überhaupt gehört werden.
Es ist ein hoch konzentriertes Miteinander, respektvoll, freundlich – sowohl untereinander als auch mit dem Gegner. Und wenn soeben die WM-Medaille um einen Zentimeter verloren gegangen ist, wird dem Gegner anerkennend die Hand geschüttelt. Eine Professionalität, die ich mir in vielen Zusammenarbeitssituationen im beruflichen Alltag wünschen würde. Diese spezielle Stimmung zieht sich von Jung bis Alt, beim Laienspieler wie bei den Profis durch. Und es ist genau dieser Spirit, der mich fasziniert.
Es gibt ihn, diesen „Code“ und er nennt sich ganz einfach „Spirit of Curling.“ Dieser ist eine offizielle Ergänzung zu den Spielregeln und liest sich wie eine Anleitung zum Fairplay mit Anstandsregeln, einst festgelegt durch den kanadischen Curling Verband. Für alle Curler weltweit ist es eine Selbstverständlichkeit, sich daran zu halten.
Ein Curler…
… verhält sich immer anständig und zuvorkommend.
… spielt, um zu gewinnen, nicht um seinen Gegner zu erniedrigen.
… wird nie versuchen, seinen Gegner abzulenken oder ihn daran zu hindern, sein Bestes zu tun.
… versucht nie, mit anderen Mitteln, als mit den spielerischen Möglichkeiten Vorteile zu erzielen.
… muss zuerst lernen zu verlieren, erst dann ist er auch würdig, zu gewinnen.
… zieht eine Niederlage einem ungerechten Sieg vor.
… verstößt nie absichtlich gegen Spielregeln oder eine der geschriebenen Überlieferungen.
… wird nie etwas tun, was er auch von seinen Mitspierlern nicht erwartet.
… entscheidet sich in Streitfragen immer zu Gunsten seines Gegners.
… schätzt und anerkennt eine gute Leistung seines Gegners.
… kritisiert oder beschimpft weder seine Mitspieler, noch seine Gegner.
… konzentriert sich immer aufs Spiel und gibt immer sein Bestes.
… der einen Fehler begeht, ist der Erste, der ihn zugibt.
… der einen laufenden Stein berührt oder überslidet, gibt dies sofort bekannt.
… lädt seinen direkten Gegner zu einem Drink ein, wenn er gewonnen hat.
… wird nie eine Einladung ausnützen, um sich teure Getränke bezahlen zu lassen.
… verhält sich immer fair und sportlich.
Das mag sich vielleicht ein wenig idealistisch oder altmodisch anhören – wirklich? Was auf dem Eis rund um die Welt möglich ist, sollte doch auch in kleinen Teams und in Unternehmen möglich sein. Ich jedenfalls arbeite gerne in einer solch respektvollen Atmosphäre. Nehmen wir ein wenig von diesem Spirit in unseren Alltag mit und professionalisieren wir uns nicht nur in der Sache, sondern auch im Umgang miteinander.