Sind wir nicht alle Führungskräfte?

Umso besser ich mich selbst kenne, desto einfacher gelingt es mir, meine Stärken gut einzusetzen und mich an verschiedene Situationen anzupassen

Welche Assozi­a­tion kommt uns in den Sinn, wenn wir an Führungskräfte denken? Wohl meist die Hier­ar­chie in Organ­i­sa­tio­nen und Posi­tio­nen in Unternehmen. Doch Führung geschieht an vie­len Orten. Je nach Ausle­gung sind wir alle immer wieder Führungskraft und wech­seln fort­laufend zwis­chen „fol­gen und führen“. Je nach Sit­u­a­tion und den eige­nen Stärken übernehmen wir Ver­ant­wor­tung, wer­den aktiv und andere fol­gen uns nach. Das kann bei ein­er Wan­derung sein, ein­fach weil ich den Weg und das Gelände kenne und ich mich mit der Wet­ter­vorher­sage beschäftigt habe. Das kann in der Küche sein, weil ich das Menu über­legt habe und die Präferen­zen mein­er Gäste kenne. Das kann in einem Meet­ing sein, weil ich die Agen­da zusam­mengestellt habe, die Pri­or­itäten und das Zeit­bud­get im Blick habe und den sozialen Aspekt des Meet­ings geschickt ein­baue. Wie gut mir diese Führung gelingt, beruht allerd­ings nicht nur auf mein­er Exper­tise, son­dern wesentlich darauf, wie mich andere wahrnehmen.

Erfol­gre­iche Führung, gelun­gene Zusam­me­nar­beit und pos­i­tive Beziehun­gen sind eng mit der eige­nen Wirkung auf andere ver­bun­den. Nicht immer erzie­len wir mit unseren Hand­lun­gen die gewün­schte Antwort oder Aktiv­ität. Manch­mal drück­en wir uns unklar aus, ein anderes Mal überse­hen wir wichtige Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und in ein­er näch­sten Sit­u­a­tion fehlt der für mein Gegenüber so wichtige per­sön­liche Kon­takt und ein­fach die Frage nach dem Woh­lerge­hen. Nie­mand kann unsere eigentliche Inten­tion ein­er Hand­lung errat­en. Ger­ade wenn wir nicht die gewün­schte Wirkung erzie­len, tun wir gut daran die Sit­u­a­tion im Geiste nochmals durchzuge­hen und zu reflek­tieren, was genau abge­laufen ist. Egal in welch­er Rolle ich bin – klas­sis­che Führungskraft oder  Kol­le­gin.     

Umso bess­er ich mich also selb­st kenne, desto ein­fach­er gelingt es mir, meine Stärken gut einzuset­zen und mich an ver­schiedene Sit­u­a­tio­nen anzu­passen. Die eigene Wirkung zu erken­nen, ist gar nicht so ein­fach. Ich müsste ja mich selb­st erleben. Und auch dann kenne ich erst eine Reak­tion. Doch was bei ein­er Per­son gut ankommt, kann für die andere schon lange zu viel sein. Für eine Per­son bin ich vielle­icht die gewis­senhafte und geschätzte Excelta­bellen-Exper­tin und für die andere die nervige Pedan­tin. Was für mich selb­stver­ständlich ist, kann jemand anderen begeis­tern oder auch reizen.

Um also meine Wirkung auf andere zumin­d­est bess­er ein­schätzen zu kön­nen, tue ich gut daran, mich mit mir selb­st zu beschäfti­gen. Wie sehr bin ich mir mein­er eige­nen Werte bewusst, was fällt mir leicht, wie baue ich Ver­trauen auf, welch­er Arbeitsstil entspricht mir, was motiviert mich? Was sind meine Stärken und Dinge, die ich selb­stver­ständlich nehme, wie z.B. die gewis­senhafte Aufar­beitung ein­er Excel-Tabelle oder die zuge­wandte und per­sön­liche Frage vor der Erk­lärung ein­er Auf­gabe. Und wo liegen meine Stresspunk­te, was kostet mich Energie.  

Schade, dass diese Auseinan­der­set­zung oft erst mit dem Start ein­er klas­sis­chen Führungsrolle begin­nt. Warum nicht gle­ich damit starten, sich selb­st bewusst zu führen?  Es wäre doch schön, wenn wir uns unser­er Wirkung auf andere bewusst wären und dadurch vielfältige Optio­nen bekä­men.        

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Ruth Bolter

Ich teile meine internationalen Erfahrungen mit Menschen an unterschiedlichen Orten auf der ganzen Welt. Verbindungen zu schaffen, wo sie nicht offensichtlich sind, ist das, was mich inspiriert und was ich gerne anderen zur Verfügung stellen möchte.