Pension – ein strategisch wichtiges Thema
Die Pension stellt einen wichtigen Meilenstein im Leben aller Mitarbeitenden dar. In dieser Phase findet häufig eine komplette Neuorientierung statt, in der eine wichtige Identifikations-Säule im Leben verloren geht und eine noch unklare Lebenssituation bevorsteht.
Aus Sicht des Unternehmens sind nicht nur punktuelle Nachfolgefragen zu beantworten, sondern auch ein potenzieller Know-How Verlust aufzufangen und langjährige (Kunden)-Beziehungen neu zu knüpfen.
Da weder das eine noch das andere von heute auf morgen gelingen kann, ist in einer langfristig orientierten Unternehmenskultur genügend Zeit, Expertise und ein zuverlässiges Vorgehen zu empfehlen. Es geht also nicht einfach um das Ersetzen einer Person, sondern um einen gut geplanten, strukturierten und begleiteten Übergangsprozess. So wie „On-boarding“-Prozessen in Unternehmen oft viel Beachtung geschenkt wird, so sollen „Off-boarding“-Prozesse als siamesischer Zwilling betrachtet und genauso ernst genommen werden.
Die nachfolgenden Argumente werden unterstreichen, dass das „Pensionsmanagement“ sowohl menschlich wie auch unternehmerisch eine große Herausforderung darstellt, die als bedeutender Aspekt der langfristigen Unternehmensentwicklung beachtet werden soll. Ein respektvoller, begleiteter Prozess wird sich für alle beteiligten Parteien mehrfach auszahlen, und zwar zwischenmenschlich wie auch wirtschaftlich.
Ein Blick in die Situation der angehenden Pensionisten
Die Frage der Pension und der entsprechende Umgang damit, ist selbstverständlich sehr individuell und unterschiedlich. Unabhängig vom persönlichen Zugang ist es aber immer ein sehr emotionaler Prozess, welcher sowohl die beruflichen wie auch die persönlichen Lebenswelten stark betrifft. Zudem sind für den einzelnen wie auch für die Familie oft weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen damit verbunden.
Es geht nicht allein um die Klärung des Pensionsdatums, sondern um die langfristige Auseinandersetzung mit einem einschneidenden Abschnitt im Leben. Das beginnt meistens lange vor dem sogenannten Datum mit Überlegungen in Bezug auf das Was, Wie, Wann… und endet lange nach dem Pensionsantritt und der Identifikation mit dem neuen Lebensabschnitt. Wichtig ist dabei, einen anpassungsfähigen Plan als gemeinsame Orientierung zu haben.
Ein Datum für den Pensionsantritt zu setzen ist dennoch wichtig, damit dieser Prozess ernsthaft in Bewegung kommt. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Vorstellungen darüber, wie die Pension bzw. der Übergang aussehen soll, mehrmals ändern können. Ungeachtet der Haltung des Unternehmens sind diese Findungsphasen für die Einzelnen und deren Umfeld sehr wichtig.
Der Pensionsprozess ist für viele einer der schwierigsten Lebensphasen überhaupt. So gilt es nach vielen Jahren Kontinuität, Routine und eingespielten Mechanismen das Leben im fortgeschrittenen Alter nochmals völlig neu zu definieren. Das ist mit Neuland und damit mit Unsicherheit verbunden. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass diese Phase oft mit Abwehr, Festklammern, Verdrängung oder Identifikationssuche verbunden ist. Oder um einen Kollegen zu zitieren: „Sich mit der Pension auseinanderzusetzen heißt nichts anderes, als einem bisher geregelten Leben auf Wiedersehen zu sagen. Das betrifft alles; die Arbeit, die Wochenenden, die Ferien…“
„Was werde ich nach meiner Pension machen?“- ist nur eine der herausfordernden Fragen in diesem Prozess. Dabei geht es explizit nicht nur darum, womit man sich konkret beschäftigt, sondern vor allem darum, wie man persönliche Genugtuung findet und zu einem gesunden Selbstwert auch in der neuen Lebensphase kommt. Wie findet die Identifikation mit wirklichen Inhalten statt und welche Form der Anerkennung ist damit verbunden? Um abermals eine Betroffene Person zu zitieren: „Mir wurde klar, dass ich mein soziales Leben neu gestalten muss. Es ist ein ständiger Prozess zwischen Vorfreude und harter Arbeit, mein bisheriges Engagement gilt es loszulassen und neue Wirkungsfelder zu finden. Der Prozess der Familie, die sich auch nicht nur auf meine ständige Präsenz freut, ist auch nicht zu unterschätzen.“
Einige Überlegungen aus Sicht des Unternehmens
Die letzte Phase im Arbeitsleben von langjährigen Mitarbeitenden ist eine der am wenigsten genutzten Ressourcen in Unternehmen. Oder noch klarer formuliert: Während sich alle über den Fachkräftemangel beklagen und einen regelrechten «War for talents» führen, wird hier eine der größten, brachliegenden Chancen oft unbeachtet liegengelassen oder sprichwörtlich aufs «Abstellgleis» gestellt.
Wie oft wird die Zeit bis zur Pension regelrecht ausgesessen und abgewartet? Warum werden das Know-How und die Erfahrungen in der letzten Arbeitsphase nicht als strategische Möglichkeit gesehen, angesprochen und mit gezielten Maßnahmen genutzt? Ein kluger und gut angelegter Prozess wird genau diese Aspekte aufgreifen und dazu führen, dass die Energien von verdienten Mitarbeitenden zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt werden können und alle Beteiligten davon profitieren. Wir sprechen damit von einem wichtigen Beitrag zum gezielten Wissensmanagement und zur verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Generationen.
Damit das gut gehen kann braucht es einen respektvollen Umgang miteinander und vor allem eine neue Haltung zum Thema und zur Frage, wie und wo die Erfahrungen am besten eingesetzt werden können. Wenn das Thema mit der richtigen Absicht, respektvoll und rechtzeitig als integraler Bestandteil des Arbeitslebens aufgegriffen wird, wird das auch gelingen. Übrigens mit wenig Mehraufwand und einem x‑fachen Output. Dadurch wird das Pensionsthema enttabuisiert, wir sprechen nicht mehr vom «alten Eisen», sondern schaffen ein angstfreies Umfeld, indem die emotionalen Schwankungen normal sind. Sie müssen nicht mehr beschämt versteckt werden, sondern können legitimiert zur Findung von gemeinsamen Lösungen eingesetzt werden.
Gutes «Pensionsmanagement» leistet einen entscheidenden Beitrag zum «Employer Branding.» Es ist nicht neu, dass «Mund-zu-Mund Empfehlungen» eine enorm hohe Wirksamkeit haben und damit einen wichtigen Beitrag zur Reputation des Unternehmens leisten. Wie ein Unternehmen sich von Mitarbeitenden trennt, wie die Menschen darüber sprechen und wie sie in diesen heiklen Phasen behandelt worden sind, spielt demnach eine große Rolle und wird mitunter darüber entscheiden, welche künftigen Talente das Unternehmen auch wieder anzieht (damit wären wir wieder beim «War for talents»).
Zu guter Letzt ist da noch das Kostenargument. Selbst kurzfristig sprechen wir von einer lohnenden Investition. Betrachten wir die brach liegenden Möglichkeiten, die lähmende Frustration und die verunsicherten Vor-Pensionisten, die sich — neu — bereits kurzfristig und angstfrei in Projekten und Themen einbringen können, dann haben alle Seiten einen unmittelbaren Nutzen und die präventiven Aufwände für die strukturierte und professionelle Begleitung sind in kürzester Zeit mehr als gedeckt. Gerade das Erfahrungswissen und das tiefere Unternehmensverständnis sind viel zu selten genutzte und unterschätzte Ressourcen.
Umgekehrt müsste man die Überlegung anstellen, welche direkten und vor allem indirekten «sozialen Reparaturkosten» anfallen, wenn die gezielten Off-boarding Maßnahmen nicht strukturiert angegangen werden.
Schlusswort
Ein strukturierter Workflow und die bewusste Begleitung der Pensionsfrage zu einem frühen Zeitpunkt zahlt sich nicht nur aus, sondern kann zu einem Einzigartigkeits-Merkmal (USP) des Unternehmens ausgebaut werden. Dieses ganzheitliche Verständnis der Personalentwicklung ist vertrauensbildend für Teams und Partner und stärkt die Zusammenarbeitskultur.
Als strategische Aufgabe verstanden bietet der Off-boarding Prozess eine große Lernchance zwischen den Generationen und macht den Nutzen der besten Aspekte aus beiden Welten erlebbar. Oder wie es der Kollege treffend formulierte: «Hungry spirits meet wise men.»